Aktiv sein, aufstehen, aufbrechen, das tun was getan werden muss, was heute dran ist – die erste Ostergeschichte (Mk 16, 1-8) erzählt von drei Frauen, die früh morgens zum Grab gehen, als die Sonne aufgeht. Damit beginnt Ostern. Niemals ist Ostern ein Ruhetag, auf keinen Fall etwas, auf das man verzichten könnte. Ostern ist der Tag mit der größten geistlichen Potenz. Da bricht der Himmel Gottes in unser Herz hinein, schenkt Glauben, Liebe, Hoffnung. Ein Tag voller spiritueller Aktivität. Liebe Schwestern und Brüder, es geht hier um Leben und Tod, um das ewige Leben, um die wahre Kraft, seine Erdenzeit zu bestehen, aus der Resignation aufzustehen und mit Energie zu füllen!
Auferstehung beginnt mit dem Aufstehen und dem sich auf den Weg machen. Auch wenn sie gar nichts Gutes erwarten. Sie meinen nur, irgendjemand müsse doch den Leib Jesu salben. Karfreitag war geschehen, und am Sabbat ruhte alles. An unserem Sonntag, nach diesen drei Frauen benannt, nach dem Sonnentag der Auferstehung, unserem Osterfest, gehen sie also los. Dabei wissen sie genau, dass ein großer Stein vor dem Grab steht, den sie alleine nicht bewegen können. Steine im Weg, Steine auf unserem Herzen, wie so oft im Leben. Sie gehen trotzdem los, fragen sich erst unterwegs: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und gehen ohne Antwort weiter. Wie gut! Denn der Stein war weg, das Grab leer. Jemand mit einem weißen Gewand sagt ihnen, dass Jesus auferstanden ist. Gott handelt selber. Das wirklich Wichtige bekommen wir geschenkt. Man muss sich nur auf den Weg machen. Aufstehen, zuversichtlich sein, den Tag nutzen. Die Osterbotschaft ist ganz einfach.
Doch Leidenschaft gehört auch dazu, das kritische Fragen nach diesem Jesus, die Suche nach religiöser Wahrheit. Nicht alles ist zu glauben, man muss sich immer auch selbst überzeugen. Da sind wir mitten in der zweiten Ostergeschichte (Joh 20, 24-29). Thomas, der nicht dabei ist, als der auferstandene Jesus sich den Jüngern zeigt, und die Begegnung anzweifelt. Ihr könnt mir viel erzählen. Da kommt Jesus noch einmal, und sagt zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Durch die persönliche Begegnung beginnt Thomas an Jesus zu glauben. Auferstehung ist eine Erfahrung, die wir machen müssen. Sie ist ohne leidenschaftliches Suchen, ohne Nachgrübeln bis in die Nächte hinein, wohl nicht zu bekommen.
Es braucht die persönliche Begegnung mit diesem Jesus. Er kommt zu uns in den kleinen Kreisen und Gruppen, die wir uns aus dem Angebot der Kirchen aussuchen oder selber organisieren. Sie werden in der Zukunft noch wichtiger werden, im Abbruch von kirchlichen Traditionen und dem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust. Suchen wir das Gespräch mit Pastoren, immer wieder neu, auch über Jahre, gehen zu ausgewählten Gottesdiensten, lesen Predigten.
Und ganz oft: Uns in Klöstern, auf Retraiten, an Pilgertouren beteiligen. Jesus begegnet uns mit seinem Wort in anderen Menschen und an besonderen Orten. Dann auch in der Musik, in der Kunst, in der Literatur, wo wir seine Wundmale entdecken können. Jesus selber ist allerdings nicht mehr auf Erden. Deshalb sagt er zu Thomas: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Dahin kommen wir nur durch leidenschaftliches Suchen und Finden.
Der Osterglaube führt aber noch weiter, er zieht uns immer vom Glauben zum Handeln. Die Bindung an Jesus, an das Handeln Gottes, sie leitet die dort erfahrene Liebe weiter an unsere Mitmenschen, an die eigene Familie wie die Menschheit, und auch hinein in berufliche und ehrenamtliche Aufgaben. Das ist wunderbar und einzigartig in der Ostergeschichte von Maria Magdalena zu erkennen (Joh 20, 11-17). Sie hat Jesus als Auferstandenen zuerst gesehen. Wahrscheinlich ist sie seine treueste Begleiterin gewesen. Klar, dass sie draußen vor dem Grab steht und weint. Sie denkt, jemand habe den Leichnam weggenommen.
Plötzlich steht Jesus hinter ihr, sie meint, es sei der Gärtner. Ihn fragt sie, wo er ihn hingelegt habe. Da spricht Jesus sie mit ihrem Namen an: Maria. Und sie erkennt ihn an der Stimme, wird ergriffen von stärksten Gefühlen und will ihm um den Hals fallen. Doch Jesus sagt: Rühre mich nicht an, ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Geh zu den anderen und erzähle ihnen davon. Und Maria geht und berichtet, dass sie den Herrn gesehen hat. Diese Begegnung ist in der Dramatik gar nicht zu überbieten. Das Nennen ihres Namens überzeugt sie, und all ihre Liebe zu ihm wird jetzt den Jüngern und dem neuen Leben zuteil.
Dahinter steht das Geheimnis des Glaubens. Wo er stark ist, führt er ins aktive Leben. Maria verliert mit dem auferstandenen Jesus ihre unmittelbare Bezugsperson, sie könnte jetzt ein Leben lang traurig sein und den vielen Begegnungen mit Jesus hinterherweinen. Doch sie transformiert ihre Jesusbindung in die Liebe zu den Menschen. Ihr entwachsen jetzt Aufgaben, die sie selbständig wahrnimmt. Sie positioniert sich neu, beginnt aus Glauben frei zu leben.
Martin Luther ist es so ergangen, als er wieder aus dem Kloster austrat und seinen Glauben im Alltag, in seinen Aufgaben in der Welt lebte. Vielen geht es so, die sich neu ausrichten müssen, in den unterschiedlichen Phasen des Lebens. Immer kommt es darauf an, die Liebe Gottes mitzunehmen, umzuleiten in das eigene Leben, zu den Menschen bringen, mit denen man lebt, solange man lebt. Maria steht aktiv und leidenschaftlich für den christlichen Einsatz in diesem Leben, für die Menschen, für diese Erde.
Nun bleibt uns noch das lebenslange Gehen auf österlichen Wegen und die Intensität von Gesprächen und Begegnungen. Die sind durch nichts zu ersetzen, mehr denn je spüren wir dies in der andauernden Pandemie. Dafür steht die längste Ostergeschichte von den Jüngern von Emmaus (Lk 24, 13-35). Zwei Männer, die immer mit Jesus zusammen waren, kommen vom Kreuz her und gehen traurig nach Hause. Sie sprechen miteinander über die Geschehnisse.
Da taucht ein Fremder auf und geht mit ihnen. Sie kommen ins Gespräch. Er erklärt, dass dies alles so kommen musste. In ihrem Dorf mit Namen Emma’us will der Fremde weitergehen, doch sie bitten ihn zu sich hinein. Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Ihre Augen wurden geöffnet, und sie erkannten Jesus. Da verschwand er vor ihnen. Und sie kehrten wieder zurück nach Jerusalem.
Mit der Intensität dieser letzten der vier großen Ostererzählungen können wir ganz sicher den Rest unseres Lebens auf dieser Erde unterwegs sein. Sie nimmt ja ihren Anfang inmitten der akuten Lebensfragen. Warum musste das geschehen? Warum wurde Jesus gekreuzigt, warum gibt es Verrat, Verspottung, Verleugnung, Verurteilen? Warum Krankheiten, warum den Tod?
Und was hat das mit dem Kreuz und der Auferstehung dieses Jesus von Nazareth zu tun? Liegt die einzige Lebenshoffnung nicht genau in diesem Gehaltenwerden von Gott, auch über den Tod hinaus? Ist dies nicht die einzige Möglichkeit, wirklich frei und getröstet sich den Lebensaufgaben zu widmen?
Es braucht immer das Gespräch, braucht den Dialog, das kritische Nachfragen, das miteinander Gehen. Es braucht auch das Einkehren, das gemeinsame Essen, mit Brot und Wein auf dem Tisch. In diesen Gesprächen ist Jesus mit dabei, ist gegenwärtig mit seinem Wort, mit seinen Geschichten, seinen Geboten, im Abendmahl. Wir erfahren darin die göttliche Annahme und die Vergebung und Versöhnung, die Kreuz und Auferstehung bewirkt.
In Wirklichkeit ist jedes Gespräch immer ein Trialog, Gott muss immer mitgedacht werden, wenn wir Menschen nach Lösungen suchen. Natürlich ist er dabei, wenn wir mit der Familie am Tisch sitzen und zuhören, annehmen und stärken. Natürlich spricht er mit im ethischen Verhalten im Unternehmen. Natürlich bestärkt er uns im Einsatz. Und wo nichts Göttliches zu spüren ist, bringen wir es selber ein. Werden wir zu Botschaftern des Glaubens, begegnen uns andere, wie uns dann wie zwei Jünger begegnen, werden ihnen der Fremde, der zuhört und hilft. So bleiben wir im Gespräch, so brennt unser Herz, im gemeinsamen Gehen und Einkehren, mit Gott und den Menschen.
Von daher lasst uns dies Osterfest feiern, das Haus schmücken, ein gutes Essen kochen, die Osterkerze aufstellen, andere bewirten, die Ostergottesdienste besuchen und miteinander reden. Die vier Geschichten aus der Bibel begleiten uns. Die drei Frauen, die da morgens aufstehen, der ernsthaft suchende Thomas, die so leidenschaftliche Maria und die zwei Jünger, die das Gespräch führen. Sie alle ziehen uns immer wieder ins Leben, immer wieder in dieses Osterlicht, das uns schon aus der Ewigkeit her leuchtet. Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!