Predigten und Texte

Kreuz und Paradies, Predigt zu Karfreitag 2023, über Lk 23, 32-49, von Pastor Ralf Reuter

Es ist das Evangelium des Lukas, in dem vom Paradies die Rede ist. Nur in ihm, unserem heutigen Predigttext, finden sich drei Kreuze. Das ist tatsächlich zentral: Jesus inmitten der Menschen, als einer von dreien. So solidarisiert Gott sich mit seinen Geschöpfen. Und zugleich ist Jesus der Richter in der Mitte, an ihm scheiden sich die Geister. Immer gibt es einen Weg ins Licht, und immer einen in die Finsternis.

Wer sich die Kreuzesszene vorstellt, sieht ganz vorne die Frauen, die sich abgewandt haben. Wie wir diesen fürchterlichen Krieg in der Ukraine kaum noch ertragen, so ertragen sie hier die Brutalität der Kreuzigung nicht mehr. Sicherlich ist Maria dabei, die Mutter, und auch Maria Magdalena, die ihn liebte. Und die Jünger, Johannes, und die anderen.

Ja, wir sind hier im aktuellen Geschehen. Was hätten wir heute gegeben, wenn dieser Kelch eines Krieges mitten in Europa an uns vorbeigegangen wäre, und wer hätte ihn noch für möglich gehalten! Was bei Jesus irritiert, ist sein Wort, ganz am Anfang des Textes von Lukas: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.“ So kann nur die Liebe Gottes in einem Menschen sprechen, so spricht Gottes Sohn. Wie sollen wir es je schaffen, in seine Nachfolge zu kommen, und anderen zu verzeihen, die so brutal sind?

Die Soldaten machen umso schlimmer weiter. Sie fangen an, ihn zu verspotten: „Bist du der Juden König, so hilf dir selber!“ Und einer der beiden am Kreuz macht mit: „Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!“ Doch es sind nicht alle Menschen gleich, der andere ermahnt ihn: „Fürchtest du nicht einmal Gott“? Jesus „hat nichts unrechtes getan.“ Und er wendet sich zu Jesus, mit den wohl bewegendsten Worten, die je ein sterbender Verbrecher gesprochen hat:

„Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Was für ein Wort, noch heute im ewigen Leben zu sein, eingehen in den Himmel Gottes. Aus den tausend Einzelheiten des Lebens wird plötzlich der Christus erkennbar. Ihn, den Retter vor Tod und Verderben, hat Gott auf die Erde gesandt. Ihn hat er den menschlichen Weg gehen lassen, um uns zu sagen: Du wirst mit mir im Paradies sein.

Plötzlich erscheint uns dieses tiefschwarze Bild des täglichen Lebens, der Sorge und der Kriege, der Krankheiten und der Abschiede, der Leiden und der Irrungen, als eine Momentaufnahme, als eine vorübergehende Station eines viel größeren Weges. Schwer ist sie, aber nicht alles. Sie ist schon umfangen vom Licht des Paradieses. Das Licht, es spannt den Bogen, vom ursprünglichen Licht der Erschaffung des Paradieses am Anfang der Zeiten bis zum Licht der ewigen Stadt Gottes im Himmel. In diesem Lebensweg sind wir zugleich herausgehoben, sind schon umfangen von Glauben und Hoffnung, getragen von der Liebe Gottes.

Wir müssen sehen, dringend sehen, dass uns dieses Licht der Ewigkeit nicht verdunkelt, nicht verlischt, nicht zu einem flachen Wunschbild menschlicher Sehnsüchte verkommt. Dieses Licht am frühen Morgen, es leuchtet schon vom Paradies her, als die Frauen, die beim Kreuz waren, zum Grab gehen, und  es  leer finden und Jesus auferweckt ist. Es ist da, mitten in der Welt. Es leuchtet, es leuchtet uns hier und jetzt den Weg durch unsere Finsternisse, den Weg durch dieses Leben hindurch in ein ewiges Leben.

Daher halten wir uns zu Jesus, suchen wir ihn in den Nöten des Daseins, hören wir auf sein Wort, kehren wir immer wieder um, lassen wir uns freisprechen und mitnehmen auf seinem Weg. Auch in die Finsternis, möge sie denn kommen über das ganze Land, mit in die neunte Stunde, bis der Vorhang des Tempels zerreißt und er spricht: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ So lasst uns auch einst sprechen, auch wenn dieser Tag hoffentlich noch ferne sein möge.

Nur wer auch die Realität des Lebens, die Schwere des Daseins, durchlebt, wird Geborgenheit und Heimat finden. Denn genau darin hat sich Gott offenbart, um uns hier und jetzt zu trösten, uns zu stärken und uns mitzunehmen auf seinem Weg des Lebens. Dies, das Licht des Paradieses schon hier und heute, das uns scheint, unser Herz erfüllt und uns ganz selbstverständlich unsere Aufgaben der Zeit tun lässt. Denn diese Welt, dieses unglaubliche Getümmel und Gewimmel, hat Gott ausgesucht, um seinen Sohn zu schicken, und sie zu retten. 

Karfreitag ist ein erschreckendes, und zugleich ein wunderbares Geschehen, vor 2000 Jahren, im Mittelalter, und 2023. Es ergreift uns und verwandelt uns. In ihm hören wir Gottes Wort inmitten schwerer Zeiten. Es tröstet und leitet uns. Es ist die Zusage unseres menschenfreundlichen Herrn, des tröstenden Christus am Kreuz: Auch du wirst mit mir im Paradies sein. Amen.

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